Formen
Das Formentraining ist ein grundlegendes Element des Taekwondo. Es handelt sich hierbei um eine festgelegte Abfolge von Aktionen, wobei die einzelnen Bewegungen den Kampf mit einem imaginären Gegner darstellen.
Eine Poomsae wird dafür genutzt, Techniken und Stände zu erlernen, sie zu Abwehr und Angriff miteinander nach einem bestimmten Muster zu verbinden und dabei gleichzeitig Bewegungen und Atmung aufeinander abzustimmen. Sie dienen zudem der Übermittlung des Technikfundaments von Meister zum Schüler bzw. von Generation zu Generation.
Bei der World Taekwondo Federation wird das aus 17 Formen bestehende Poomsaesystem gelehrt. Die Namen der Formen sind der Geschichte Koreas entliehen und deuten in ihrem Aufbau symbolisch auf historische Orte und Ereignisse hin. Mit zunehmendem Entwicklungsstand des Schülers werden die Poomsae anspruchsvoller und komplexer. In Deutschland spricht man meist von acht Schüler- und neun Meisterformen. In Korea ist dagegen meist die Rede von insgesamt zehn Poomsae. Dies hat den Grund, dass man dort die ersten acht Formen häufig als Sektionen der ersten Poomsae bezeichnet. Nachfolgend wird die koreanische Zählweise verwendet.
1. Poomsae Taeguk (Wechsel, im Sinne von Entwicklung)
Die Poomsae Taeguk ist in acht Sektionen (Changs) unterteilt, welche die acht grundlegenden Formen des modernen Taekwondo bis zum 1. Dan darstellen. Die sogenannten Taeguks basieren auf den acht Grundgedanken der koreanischen Philosophie und wurden aus diesen entwickelt. Es sind die sogenannten acht Zeichen der Macht, die auch die Grundlinien der Taeguks bilden. Vier dieser Symbole finden sich auch in der koreanischen Flagge wieder.
Das Symbol auf der Fahne links oben ist Keon, das Schöpferische. Seine Eigenschaft ist die Stärke. Es symbolisiert den Himmel oder den Vater in der Familie der Zeichen. Das linke untere Zeichen heißt Ri, das Haftende. Seine Eigenschaft ist das Licht. Es ist das Feuer oder die 2. Tochter. Das rechte obere Zeichen hat den Namen Gam. Es stellt das Abgründige mit der Eigenschaft der Gefahr dar und ist der 2. Sohn der Familie. Rechts unten schließlich erscheint Gon, das Empfangende, das die Hingebung zur Eigenschaft hat und die Mutter bzw. die Erde ist.
Il Chang (1. Sektion) = Keon (Himmel und Licht)
Vom Himmel kommt der Regen und das Licht der Sonne, damit alles wachsen und gedeihen kann. Mit Himmel wird die Schöpfung symbolisiert, der Anfang des Seins.
I Chang (2. Sektion) = Tae (Frohsinn und Fröhlichkeit)
In diesem Zustand verfügt der Mensch über eine gefestigte innere Kraft, die ihn ausgeglichen und ruhig erscheinen lässt. Diese innere Kraft kann jedoch nur einen mit Frohsinn durchdrungenen Menschen beherbergen. Diese Form muss ruhig und kraftvoll ausgeführt werden.
Sam Chang (3. Sektion) = Ri (Feuer)
Damit ist Wärme, Licht, Hoffnung und Zuversicht verbunden. Die Bewegungen sollen dynamisch und leidenschaftlich ausgeführt werden.
Sa Chang (4. Sektion) = Jin (Donner und Blitz)
Donner und Blitz sind zwei Naturgewalten, die unbegrenzte Kraft und Macht symbolisieren. Durch zielstrebige und kraftvolle Bewegungen drückt diese Form Ruhe und Mut aus.
Oh Chang (5. Sektion) = Seon (Wind)
Der Sturm ist kraftvoll und zerstört. Der Wind hat aber auch gute Eigenschaften. Er ist sanft, verbreitet im Sommer den Samen der Pflanzen und zerstreut die Wolken, die das lebensnotwendige Sonnenlicht verbergen. Die Bewegungen verlaufen ruhig und gleichmäßig aber auch kraftvoll und stürmisch.
Yuk Chang (6. Sektion) = Gam (Wasser)
Wie das Wasser fließen die Bewegungen dieser Form ineinander über, unaufhaltsam bis zur letzten Technik.
Chil Chang (7. Sektion) = Gan (Berg)
Mit dieser Form erreicht man den höchsten Schülergrad. Das Symbol dieser Poomsae bedeutet »Gipfel eines Berges«. Der Mensch muss die Standfestigkeit eines Berges besitzen. Obwohl im Taekwondo schnelle Aktionen und Reaktionen Grundvoraussetzungen sind, soll man wissen, wann und wo ein Halt geboten ist.
Pal Chang (8. Sektion) = Gon (Erde)
Die Erde ist die Mutter des Lebens. Sie bringt nicht nur Leben hervor, sondern sie sorgt auch dafür, dass es erhalten bleibt und entwickelt wird. Dies ist die letzte Form, die letzte Hürde auf dem Weg zum 1. Dan, wobei die grundlegenden Bewegungsformen nochmals überprüft werden
2. Poomsae Koryo (Korea)
Koryo ist der Name einer alten Dynastie (918 bis 1392 n.Chr.) nach der das heutige Korea benannt ist. Das kulturelle Erbe aus dieser Zeit ist sehr bedeutend. Deshalb entspricht das Diagramm, auf dessen Linien die Bewegungen ablaufen, dem Schriftzeichen für »der Gelehrte«.
3. Poomsae Kumgang (Diamant)
Das Wort selbst bedeutet »zu fest, um zerbrochen zu werden«. Für buddhistische Mönche ist es aber auch die Bezeichnung für die Überwindung seelischer Schmerzen durch Weisheit und Tugend. Auch der schönste Berg Koreas wird Kumgang genannt. Die Bewegungsrichtungen folgen daher dem Schriftzeichen für »der Berg«. Entsprechend den Bedeutungen von Kumgang sollen die Bewegungen geistige Kraft und die Härte eines Diamanten ausdrücken.
4. Poomsae Taebaek (Heiliger Berg)
Korea wurde der Sage nach vor 4100 Jahren auf dem Berg Baeku gegründet. Dieser Berg trug früher den Namen Taebaek. Er ist der größte und erhabenste Berg Koreas. Diese Poomsae demonstriert nicht nur Schnelligkeit und Genauigkeit sondern auch Strenge und Entschlossenheit.
5. Poomsae Pyongwon (Ebene)
Eine große und offene Ebene erstreckt sich endlos und gibt dem Betrachter das Gefühl majestätischer Freiheit und grenzenloser Weite. Das Diagramm verläuft dementsprechend auf einer Linie.
6. Poomsae Sipjin (Zehn)
Das Dezimalsystem ist eine ständige numerische Wiederholung des Wertes zehn (einhundert, eintausend, eine Million, eine Milliarde usw.). Damit ist die Zahl »Zehn« Symbol für grenzenloses Wachstum. Das Wachstum ist aber nur bei einer systematischen und geregelten Ordnung wirkungsvoll. Das Diagramm dieser Poomsae ist das Schriftzeichen für »Zehn«. Die Bewegungen sind abwechslungsreich aber geordnet und diszipliniert.
7. Poomsae Jitae (Erde)
Gemäß dem fernöstlichen Glauben entspringt alles Leben aus der Erde hervor und kehrt in sie zurück. Lebewesen und Naturphänomene ändern und formen sie fortlaufend. Poomsae Jitae vereint diese Eigenschaften der Erde in ihren Bewegungen.
8. Poomsae Chonkwon (Himmel)
In alter Zeit wurde der Himmel als Herrscher über das Universum verehrt. Poomsae Chonkwon ist durchdrungen von Bewegungen, die voll Erhabenheit und Vitalität sind, wie ein in den Himmel aufsteigender Adler.
9. Poomsae Hansu (Wasser)
Wasser wird als der Ursprung des Lebens angesehen. Die Eigenschaften des Wassers (ruhig, wild, flüssig, anpassungsfähig) sind auch typisch für die Bewegungen bei dieser Poomsae.
10. Poomsae Ilyo (Geist und Einheit)
Im Buddhismus bezeichnet man den Zustand der geistigen Ausbildung, in dem Geist und Körper zu einer Einheit verschmelzen »Ilyo«. Die höchste Aufgabe des Taekwondoin ist es, diesen Zustand zu suchen. Das Ziel ist eine Disziplin, bei der man mit konzentrierter Aufmerksamkeit bei jeder Bewegung alle weltlichen Gedanken und Dinge abschüttelt. Die Zahl »Zehn« steht zudem in Korea für einen vollendeten, perfekten Zustand. Aus diesem Grund ist die Anzahl der Poomsae zehn.